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REICHELSHEIM – Um das „Nibelungenkorn“, ein Urgetreide wie Emmer, Einkorn und Dinkel, ging es am Infoabend in der Reichelsheimer Reichenberghalle. Die Referenten widmeten sich dem Themenbereich Urgetreide mit den Schwerpunkten Wasser- und Naturschutz, Anbau, Verwertung und Vermarktung. Das Publikum, deutlich größer als von den Veranstaltern erwartet, setzte sich neben Landwirten, Müllern und Bäckern auch aus interessierten Bürgern zusammen.

Als einen richtigen Schritt in die innovative Regionalvermarktung wertete Landrat Frank Matiaske (SPD) das „Nibelungenkorn“ als mögliche Odenwälder Besonderheit. Hochwertige regionale Produkte finden nicht nur vor der Haustür, sondern vor allem in den nahe gelegenen Ballungsräumen einen lukrativen Absatz, so das Kreisoberhaupt.

In der Grundwasserproblematik nicht immer nur die Landwirtschaft an den Pranger zu stellen lautete der Appell von Wolfram Wittwer, technischer Leiter des Zweckverbands Gruppenwasserwerk Dieburg. Dass die Nitratbelastung in Südhessen größer sei als im Norden des Bundeslandes liege auch an der Bodenbeschaffenheit. Wittwer lobte den Einsatz für den Urgetreideanbau, der weniger Nitrat mit sich bringe.

Landwirte brauchen ein Nischenprodukt, ohne neue Ideen könnten sie heute nicht überleben, sagte Kreislandwirt Hans Trumpfheller. Ihre Existenz habe hauptsächlich der Verbraucher in der Hand, so Trumpfheller.

Urgetreide und Wasserschutz war das Thema von Silke Reimund von der AGGL (Arbeitsgemeinschaft Gewässerschutz und Landwirtschaft Region Starkenburg), die den Abend gemeinsam mit der Herrnmühle in Reichelsheim veranstaltet hatte. Grundsätzlich, so Silke Reimund, sei der Anbau von „Nibelungenkorn“ für das Wasser und die Region zu begrüßen. Neben regionaler Wertschöpfung schone das robuste Urgetreide das Grundwasser, da keine glyphosathaltigen Substanzen notwendig seien.

Aus der Landwirtschaft des frühen Mittelalters berichtete Claus Kropp, Leiter der Freilichtlabors Lauresham. Dort wird mit historischer Gerätschaft Urgetreide in der Dreifelderwirtschaft angebaut, darunter der Waldstaudenroggen. Das über zwei Meter hoch wachsende Urgetreide liefert zudem viel Stroh als natürliches Bau- und Dämmmaterial. Erfolgreich ist das Freilichtlabor auch in der Mischbepflanzung wie Gerste mit Linsen.

Mit erfolgreichem Marketing in die Selbstständigkeit

Siggi Ochsenschläger, Landwirt und Selbstvermarkter aus Biblis, hat neben Urgetreide- und Kartoffelspezialitäten auch die freie Aufzucht von alten Hühner- und Schweinerassen für sich entdeckt. Ein erfolgreiches Marketing seiner außergewöhnlichen Produkte verhalf dem Landwirt zurück in die Selbstständigkeit.

Ein Plädoyer zugunsten des „Nibelungenkorns“ hielt zudem Rainer Feick von der Herrnmühle. Zwar sei Einkorn, Emmer und Dinkel aufwendiger in der Mühle zu verarbeiten, die positiven Seiten aber überragen: Robust ohne großen Düngerbedarf, gesünder und im Trend der ernährungsbewussten Gesellschaft. Dass Produkte aus Urgetreide sehr gut ankommen, bestätigte Uwe Schellhaas. Die Traditionsbäckerei Schellhaas backt seit 2011 nach selbst auferlegtem Reinheitsgebot ausschließlich mit natürlichen Zusatzstoffen. Ökotrophologin und Ernährungsberaterin Brigitte Weber griff die Nährstoffe im Urgetreide auf. Mehr Mineralstoffe, Beta-Carotine, Vitamine sind, insbesondere in Vollkornprodukten, vorhanden. Weizen- und Glutenallergikern jedoch biete auch das Urkorn keine Alternative.

(Gabriele Lermann)

Quelle:

https://www.echo-online.de/lokales/odenwaldkreis/reichelsheim/anbau-von-urgetreide-als-chance-fur-bauern_17001117#